kunst.

Auf welche Weise können Interventionen im Raum Anderes Wissen generieren?

Kirsten Winderlich

»Man müsste mit langen sensorischen Borsten bedeckt sein und in ein Schwimmbad voll Honig eingetaucht werden, das dann jemand umrührt, um die Wahrnehmung solcher Tierchen [Planktontierchen: KW] nachvollziehen zu können.« Smetacek 2011, 194

Über Bildung im Kontext von Klima und Kunst nachzudenken und Impulse für die Vermittlungspraxis zu entwickeln, bedeutet für uns als Bildungsexpertinnen vom Kunstwerk zu lernen und ausgehend von diesen Lernprozessen Räume zu entwickeln und zu transformieren. Zu intervenieren heißt für uns, durch Kunst einen Erfahrungsraum zu gestalten, der uns ermöglicht unsere Wahrnehmung zu sensibilisieren und damit einen verstehenden Zugang zu Wissensgebieten zu eröffnen, die sich nicht unmittelbar vermitteln. Anderes Wissen ist demnach nicht nur das Wissen der Anderen, sondern ist auch als ein Wissen zu verstehen, das zwischen Erfahrung und Experiment hervorgebracht wird1 und uns dabei unterstützt, Bildung anders zu denken.2 In Anlehnung an Dieter Mersch (2016) können diese Prozesse, Anderes Wissen zu generieren, als Forschen im Ästhetischen beschrieben werden, was bedeutet, andere Schneisen in das Wahrnehmbare zu ziehen und damit das bisher Unsichtbare, Unerhörte und Unfassbare erschließbar zu machen.3 Der Begriff des Schneisen-Ziehens kann auf der Metaebene als Inbegriff unserer Settings verstanden werden. Die Praxis der Art_logs zieht nicht nur Veränderungen von Raumdimensionen und -gefüge nach sich, sondern auch Perspektivwechsel und ermöglicht auf diese Weise raumgebundene ›Einsichten‹.4 Die Interventionen5 sind in diesem Sinne auch als Medium zu verstehen, mit Hilfe dessen wir unsere Forschungs- und Vermittlungsposition mit dem Potenzial der Generativität6 verknüpfen. In Anlehnung an Holger Schulze (2014) umfasst der Begriff der Generativität ein Handeln, das andere anregt und dazu beiträgt, dass neue Ideen und Vorhaben entstehen können.7 Um Anderes Wissenhervorzulocken und für andere greifbar zu machen, fragen wir also stets aufs Neue: Wo findet eine Intervention ihren Ausgangspunkt? An welchem Ort, in welchem Raum? Mit welchen Mitteln wird eine Intervention wirksam? In welchen Konstellationen und Arrangements bringen Objekt und Material »das andere Antworten und auch Antworten Anderer ins Spiel«8 ? Und welche in den Raum gedachten Szenarien entstehen dabei?


Literatur

Busch, Kathrin (2016): wissen anders denken. In: Busch, Kathrin (Hg.): anderes wissen. Paderborn: Wilhelm Fink, 10-33.
Johns, Stefanie (2021): Vom Zwischen aus. Weisen bildreflexiver Annäherungen an Bilderfahrung in Wissenschaft, Kunst und Vermittlung. München: kopaed.
Koller, Hans-Christoph (2011): Bildung anders denken. Einführung in die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse. Stuttgart: Kohlhammer.
Mersch, Dieter (2016): was heißt, im ästhetischen forschen? In: Busch, Kathrin (Hg.): anderes wissen. Paderborn: Wilhelm Fink, 102-121.
Smetacek, Victor (2011): Unvorstellbare Wissenschaft. Ein Interview von Friedrich von Borries, Christian Hiller und Wilma Renfordt. In: Borries, Friedrich von/Hiller, Christian/Renfordt, Wilma (Hg.): Klimakunstforschung. Berlin: Merve, 193-200.
Schulze, Holger (2014): G: Gespür. Kleiner Stimmungs-Atlas, Bd. 9, Jan-Frederik Bandel und Nora Sdun (Hg.). Hamburg: Textem.
Winderlich, Kirsten (2020): Der Raum als Lehr-Kraft. Zum ästhetischen Bildungspotenzial von Räumen. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/raum-lehr-kraft-zum-aesthetischen-bildungspotenzial-raeumen [10.07.2023]


Zitation

Winderlich, Kirsten (2023). Kunst. Auf welche Weise können Interventionen im Raum Anderes Wissen generieren? KLIMA. KUNST. BILDUNG., herausgegeben von Kirsten Winderlich und Stefanie Johns.https://klimakunstbildung.com

Fußnoten

  1. Vgl. die Ausführungen von Kathrin Busch zum essayistischen Denken, Busch 2016, 21 ff.
  2. Vgl. Koller 2011.
  3. Vgl. Mersch 2016, 120.
  4. Vgl. Kirsten Winderlichs Ausführungen zum ästhetischen Bildungspotenzial von Raum, Winderlich 2020.
  5. Vgl. Stefanie Johns zum Begriff der »Inter//vention«, Johns 2021, 151 ff
  6. Vgl. Schulze 2014, 89 ff.
  7. Vgl. ebd., 92.
  8. Johns 2021, 153.