Ein letzter Anruf?!
- Autor*in
- Stefanie Johns
- Datum
Künstlerische Arbeit
One Last Call (2017) von Anna Madeleine Raupach in Kooperation mit Dr. Renee Beale
»Your mobile phone might be broken, but it can still make One Last Call. Will your call be for environmental change? A message for those yet to be born? Or one last call to a loved one you can’t speak to anymore?« (Raupach/ Beale 2017)
In einer im Ausstellungsraum aufgebauten provisorischen Telefonzelle kann die eigene letzte Nachricht in den Hörer gesprochen werden. Die eingesprochenen Worte werden aufgezeichnet, sodass die Tonspur zu einem auditiven Artefakt wird – einem Verweis auf unser In-der-Welt-Sein. Die Arbeit One Last Call (2017) von Anna Madeleine Raupach in Kooperation mit Dr. Renee Beale lädt uns ein, über einen möglichen letzten Anruf nachzudenken und konkret eine eigene Botschaft zu formulieren.
Obwohl die Arbeit insbesondere Umweltauswirkungen in der Herstellung von Mobiltelefonen berücksichtigt, begründet der Gedanke des letzten Anrufs im Kontext der Klimakrise eine weitere essentielle Dynamik. Das durch One Last Call inszenierte Szenario arbeitet mit offenen Relationen: Wem gilt unser letzter Anruf und welche emotionalen Intentionen werden darin unsererseits hineingelegt? Wer wird unsere letzte Nachricht hören und auch verstehen können? Was wollen wir mitteilen? Wie können wir von jetzt aus annehmen, was zukünftig bedeutsam sein wird?
Welche Aspekte des Kunstwerks können Kinder und Jugendliche anregen, ihre Gedanken zu formulieren?
Während Klimawissenschaftler*innen eine bereits erdrückende Zukunft unseres Planeten wissenschaftsbasiert berechnet haben und damit auch für uns, zeigt sich in Alltag, Politik oder Wirtschaft parallel dazu nur ein vergleichsweise hilfloses Veränderungsbestreben. Für Kinder und Jugendliche ist die Klimakrise keinesfalls einfacher zu begreifen als für Erwachsene. Doch die voraussichtlich längere Ko-Existenz von Kindern und Jugendlichen mit der Erde stellt die Sorgen um deren Bewohnbarkeit in den Mittelpunkt ihrer Perspektive. One Last Call eröffnet ein Sprachrohr, das Botschaften und darin formulierten Bedürfnissen, Ängsten und Wünschen eine Bühne bieten kann. Ebenso können die Botschaften Anderer zur Reflexion einladen oder dabei helfen, eigene Worte für das Unsagbare zu finden.
Wie reflektiert die Arbeit die eigene Vergänglichkeit und Verantwortung?
Der letzte Anruf, wie er in One Last Call konzeptioniert wird, kann eine bedrückende Stimmung hervorrufen. Zwischen Abschied und damit verbundener Tatsache der Endlichkeit appelliert die Arbeit auch an unsere Verantwortung. Was kann jetzt anderen an der Krise begegnendem Wissen mitgeteilt werden? Ist noch genügend Zeit, um zu handeln? »We are hopeful that everyone will realise that we have to make some changes before it's too late.« (#1430)1
Die Botschaften bieten auch eine Chance, etwa Verabredungen zu treffen oder Vorsätze zu formulieren und einen Umgang mit den schmerzlichen Veränderungen des Planeten zu finden – etwa dem Artensterben, der Verschmutzung oder Vernutzung von Ressourcen. Bezüge zum Konzept des Erdüberlastungstages bieten ggf. eine Einbettung in Fragen ökologischer Konsequenzen.
Welche medienspezifische Perspektive eröffnet die Arbeit?
Die Bedeutsamkeit des letzten Anrufs materialisiert sich in One Last Call in den auditiven Artefakten und vermittelt sich damit medial. Unsere letzten Anrufe werden archiviert und erscheinen als Markierungen, Mahnungen oder Möglichkeiten von uns aus. Was lässt sich jetzt oder später mit unseren Worten bewegen?
Kinder- und Jugendöffentlichkeiten im Kontext der Klimakrise fordern neue Strategien der Sichtbarmachung und Sichtbarwerdung ein, die in Anlehnung an One Last Call auditiv in eigenen Botschaften eine Form finden können. Ähnlich einer Zeitkapsel werden die Botschaften zu Zeugnissen einer Generation. Doch welche Sprache wird gewählt, um sich hier zu artikulieren?
Kunstdidaktische Impulse
Im Jahre 2018 reiste der Astronaut Alexander Gerst zur internationalen Raumstation. Im Gepäck hatte er eine Zeitkapsel, in der sich auch Wünsche von Schüler*innen für die Zukunft befanden. Seit seiner Rückkehr zur Erde liegt die Kapsel im Haus der Geschichte in Bonn und wird erst am 6. Juni 2068 wieder geöffnet. Wie stellst du dir so eine Zeitkapsel vor? Wenn du magst, baue und gestalte eine eigene Zeitkapsel und notiere deine Wünsche.
Wenn du eine Zeitreise machen könntest, um deine Botschaft zu übermitteln, wo würdest du hinreisen und was hast du wem mitzuteilen? Vielleicht ist es spannend, einen Zeitstrahl mit Klebeband auf dem Boden zu visualisieren und unterschiedliche Jahreszahlen darauf zu notieren, sodass du auf dem Zeitstrahl hin und her wandern oder hüpfen kannst.
»Ohne Bäume keine Träume« ist auf einem Plakat einer Fridays for Future Demonstration zu lesen. Wenn du magst, recherchiere weitere Plakat-Botschaften anhand von dokumentiertem Bildmaterial der Demonstrationen oder beteilige dich an einer der nächsten Demonstrationen mit einem eigenen Plakat. Wie sähe dein Plakat aus? Was wäre darauf zu lesen?
Deine Botschaften sollen gehört werden. Wie kannst du deine Botschaften sichtbar oder hörbar machen? Wenn du magst kannst du deine Botschaft auf ein T-Shirt drucken oder Postkarten damit verschicken.
Wie kannst du dich mit anderen vernetzen, die von der Klimakrise bereits stärker betroffen sind, um von ihnen zu lernen und um vielleicht auch gemeinsame Botschaften zu formulieren?
Es gibt viele Verbindungen von Kunst und Protest, um durch kluge Irritationen Aufmerksamkeit für ein Thema wie der Klimakrise herzustellen. Kennst du ein Beispiel?
Literaturtipp
Winderlich, Kirsten/ Johns, Stefanie: Perspektivwechsel. Mediale Bildungen digitaler Kinder- und Jugendöffentlichkeit am Beispiel des Earth Speakr von Olafur Eliasson. In: Claudia Rosskopf, Benjamin Jörissen, Klaus Rummler, Patrick Bettinger, Mandy Schiefner-Rohs und Karsten Wolf. (Hgg.): Jahrbuch 18: Ästhetik – Digitalität – Macht. Zürich: Zeitschrift MedienPädagogik. 2022. S. 393-414. https://www.medienpaed.com/article/view/1301/1128
Zitation
Johns, Stefanie (2024). Ein letzter Anruf?!. KLIMA. KUNST. BILDUNG., herausgegeben von Kirsten Winderlich und Stefanie Johns. [letzter Zugriff: 21.11.2024]; https://klimakunstbildung.com/artikel/ein-letzter-anruf